Die Redensart „Der Optimist ist ein Pessimist mit Erfahrung.“ bringt das auf den Punkt. Wir haben gelernt, dass sich komplexe Systeme nach revolutionären Veränderungen wieder von selbst so einregeln, dass sie zu einer neuen Ordnung und Stabilität finden – auch wenn es in der Phase der Transformation selbst zu einer starken Verunsicherung kommt. So konnten im dritten Quartal 2020, also noch in der Orientierungsphase nach dem ersten Lockdown, die Börsen wieder zulegen. Ihr Verhalten ist nach vor ein guter Stimmungsindikator eines Teils der Wirtschaft, weil er die Gesamteinstellung vieler Marktteilnehmer widerspiegelt. Doch für langfristige Investments sind die kurzfristigen Stimmungsschwankungen der Börsen als Grundlage für einen Blick in die Zukunft ungeeignet. Auf welcher Basis kann man als Investor jetzt Entscheidungen treffen?
Für mich ist da zunächst einmal die Erkenntnis, dass nichts mehr so sein wird, wie es vorher war. Das klingt vielleicht banal, soll aber dabei helfen, das Kommende nicht am Bisherigen zu messen. Die zweite Erkenntnis: Nicht nur die direkten, auch die indirekten Folgen sind wichtig. Erst dann erkennt man die Chancen in komplexen Systemen. So haben die Pandemiemaßnahmen beispielsweise auch zu einer langfristigen Bewusstseins- und Verhaltensänderung geführt, die anhalten wird. Dazu gehört beispielsweise der Durchbruch des Internets bei der Kommunikation (Videokonferenzen) oder zum Einkaufen und das Arbeiten im „Home Office“. Beides wiederum hat Folgen auf den Immobilienmarkt. Direkte und indirekte. Der Bedarf an Büroflächen wird vermutlich massiv sinken, weil nie mehr alle Mitarbeiter gleichzeitig am Firmenstandort arbeiten.
Was allein dieser Umstand für konkrete Einflüsse auf die Entwicklung von städtischen (und ländlichen) Immobilienstrukturen und die Preisentwicklung hat, wird sich zeigen. In der Pandemie haben aber auch viele Unternehmen festgestellt, dass die meisten persönlichen Treffen vor Ort eigentlich überflüssig sind. Man spart sehr viel Zeit und Geld, wenn man auf so manche Geschäftsreise verzichtet und Videokonferenzen nutzt. Obwohl die Qualität der Besprechungen darunter leidet, wird die Wirtschaft diesen Zuwachs an Produktivität und Effizienz nutzen. Eine Entwicklung, die für so manches Geschäftshotel das Aus bedeuten kann. Dies dürfte vor allem Häuser mit einem unflexiblen Management, Renovierungsstau und an ungünstigen Standorten betreffen, Häuser die ohnehin in den letzten Jahren zu kämpfen hatten. Die notwendige Marktkonsolidierung durch den Strukturwandel halte ich für unvermeidbar. Aber letztlich ermöglicht er anderen Hotels wiederum das Überleben.
Im Tourismusbereich wiederum sehe ich – wie einschlägige Branchenkenner auch – eine Erholung bis 2022. Vielleicht kommt es sogar zu einem kurzen Boom, da viele den Urlaub nach einer langen Zeit der Einschränkungen wieder voll auskosten wollen. Es wurde durch Verzicht – trotz Investitionen ins eigene Wohnumfeld, wie die Einrichtungsbranche bestätigt – viel finanzieller Spielraum in den privaten Haushalten geschaffen. Andererseits wird es sicher einen, bislang durch Kurzarbeit und andere Maßnahmen gedämpften, Anstieg der Arbeitslosenzahlen geben. Gerade der Mittelstand wurde durch die Pandemiemaßnahmen massiv getroffen. Das heißt, auch die Hoteliers an typischen Urlaubsdestinationen werden sich etwas einfallen lassen müssen, um dem wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wandel mit kreativen Lösungen etwas entgegenzusetzen.
Ganz grundsätzlich gesehen, wird die Hotelbranche weiterhin sehr genau kurzfristige Trends und Megatrends beobachten, um darauf zu reagieren. Das kann sie und das kennt sie, wie kaum eine andere Branche. Aber die Veränderungen sind noch fundamentaler als das, was wir gewohnt sind. Ein paar dieser Trends, wie Hotelbetreiber schon heute darauf reagieren oder sie sogar prägen und was das für Auswirkungen auf die Bewertung von Hotelimmobilien hat, möchte ich Ihnen im Teil II dieses Blogthemas vorstellen. Nur so viel sei an dieser Stelle schon verraten: Das, was Hotels immobil macht, wird weiterhin wertprägend sein: die gute Lage. Gleichzeitig braucht das Beherbungsgewerbe noch mehr Flexibilität. Und die geht eben über das reine Management hinaus und beginnt bereits bei einer zukunftsorientierten "due diligence" bei der Beurteilung der jeweiligen Hotelimmobilie. Mehr dazu erfahren Sie in Teil II.